C)
Das Dorf Bottrop
1)
Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur
Im Gegensatz zu den Ländern Mark und
Berg verharrte das Vest Recklinghausen bis zur Mitte des 19.
Jahrhunderts
bei seiner agrarischen Struktur mit nur solchen
Gewerben, die mit der Landwirtschaft verknüpft waren.
Vor der Industrialisierung gab es in Bottrop 140
Bauernhöfe ( 10 Morgen und größer ) und 177 Kotten
( bis 10 Morgen - 1 Morgen = 2500-3000 qm ). Die
Höfe sind nicht zu Kleinbesitz zersplittert, da hier das Anerben-
recht galt. Die Höfe lagen über das ganze
Gemeindegebiet zerstreut. Im Dorfkern standen rund um die Kirche einige
Häuser, in denen Handwerker, Händler und
Wirte ihrem Gewerbe nachgingen. Die Bauern wohnten mitten in ihrem
Besitz. Der Name größerer Höfe hat
sich als Flur- oder Straßenbezeichnung oft bis heute erhalten (
Namen mit -feld
oder -kamp ). Flurnamen mit -feld, -heide, -brock,
-bruch oder -mark lassen Rückschlüsse auf die
Bodenverhältnisse zu.
Fruchtbare, sandige und feuchte Böden wechseln
einander ab. Im Nordwesten war das Gebiet z.T. so sehr versumpft,
daß Moore es bedeckten ( das Große Veen
im Fernewald, Ortsteil Fuhlenbrock ). Nach Süden schlossen sich
Heide-
flächen an. Die fruchtbaren Böden wurden
durch Ackerbau genutzt, in den Niederungen von Boye und Emscher
befanden sich Wiesen und Weiden. Als Hauptfrucht
wurde Roggen angebaut, daneben Hafer, erst an dritter Stelle
Kartoffeln ( Fruchtfolge : Zwei Jahre Roggen, im
dritten Jahr Hafer oder Kartoffeln ).
Die Namensendungen der Bauern ( -kamp, -kämper,
-mann, -brink, -schulte ) zeigen, daß Bottrop in dieser Hinsicht
dem Münsterland zuzuordnen ist.
Überschüssige Produkte wurden nach auswärts verkauft.
Dazu eigneten sich besonders
die regelmäßig abgehaltenen Märkte.
1432 stellte der Kölner Erzbischof einen Schutzbrief für den
Bottroper Michaelis-
markt aus, an den noch heute die Herbstkirmes
erinnert, die lange Zeit mit Pferde- und Schweinemärkten verbunden
war.
Berühmt war auch der Bottroper Pferdemarkt (
jetzt Hauptverkehrsknotenpunkt ). Die Pferde lebten wild im Emscher-
bruch und wurden im Frühjahr eingefangen.
Das Marktwesen war schon in alter Zeit eine wichtige
Einnahmequelle der Bottroper. Es kamen Käufer und Händler
aus Essen, Mülheim und dem Märkischen Land.
Die Kötter arbeiteten neben ihrer
Landwirtschaft meist noch als Handwerker oder Holzschuhmacher. Wegen
der billigen
Arbeitslöhne gründeten viele
auswärtige Fabrikanten Kleinbetriebe im Vest. In Bottrop bestand
von 1796 bis 1806 eine
Baumwollspinnerei ( 60-70 Arbeiter ) einer
Wipperfürter Fabrikanten, später bestand längere Zeit (
um 1840 ) eine
Tonpfeifenfabrik. 1841 entstanden Ziegeleien
für den örtlichen Bedarf, daneben Brauereien und Brennereien.
Da im Ruhrgebiet der Bedarf an Formsand für
Gießereizwecke stieg, wurden die Sandgruben erweitert.
Die 1758 in Betrieb genommene St. Antonihütte
in Osterfeld, die Raseneisenstein verarbeitete, gab vielen Bauern und
Köttern eine Nebenbeschäftigung als
Köhler oder Fuhrleute. Die Hütte ging später ein und
wurde von der Gutehoffnungs-
hütte abgelöst.
Alle gewerblichen Betriebe im Bottroper Raum waren
sehr klein und spielten neben der Landwirtschaft nur eine unter-
geordnete Rolle. Die erste Personenstandsaufnahme
1806/07 führte folgende Handwerker auf : 38 Holzschuhmacher,
13 Schuhmacher, 12 Zimmerleute, 9 Faßbinder, 3
Drechsler, 3 Tischler, 22 Schneider, 16 Weber, 5 Maurer,
3 Kohlebrenner, das sind zusammen 124 Handwerker.
Zur gleichen Zeit gab es über 300 Bauernhöfe und Kotten.
2) Der
Dorfkern als Mittelpunkt
Die Kirche und die umliegende Gebäude
bildeten den Dorfkern. Hier hatten sich die Handwerker und
Gewerbetreibenden
niedergelassen. Die Bebauung war viel dichter als in
den verstreut liegenden Bauernschaften, von denen Verbindungswege
zur Kirche geschaffen wurden. Die Bevölkerung
war rein katholisch. Die zentrale Lage des Kerns wurde noch unter-
strichen durch den Bau einer Schule ( im Jahre1800
mit 200 Kindern ). Erst 1830 kam eine Schule im Ortsteil Boye
dazu. Zusammen hatten beide Schulen 6 Klassen und 6
Lehrer.
Die älteste Besiedlung entstand im "Unterdorf",
und zwar südwestlich der Kirche im Süden der Hochstraße
und nördlich
der Kirche um den Altmarkt ( Marktplatz ) herum. Das
Gebiet um den heutigen Pferdemarkt ( Gladbecker-, Osterfelder-
und nördliche Hochstraße ) war noch
unbebaut.
Erst mit der Industrialisierung entstand das
"Oberdorf" ( nördlich der Gladbecker- und Osterfelderstraße
) und nahm
dem Unterdorf die zentrale Funktion. Soweit sich die
funktionale Bedeutung der Teile des ursprünglichen Dorfkerns
( Unterdorf ) rekonstruieren läßt, hatte
der Altmarkt die führende Stellung. Hier wurde der Michaelismarkt
abgehalten,
befanden sich die Poststube ( seit 1833 ), die
Hotelgaststätte, die Arztpraxis ( seit 1843 ) und die Wohnung des
Hauptlehrers. An Hochstraße und Kirchplatz
lagen dagegen Lebensmittelgeschäfte, Handwerksbetriebe,
Gastwirtschaften
und seit 1880 die Apotheke.
Wegen der isolierten Verkehrslage ( kein
Durchgangsverkehr ) hatte Bottrop überregional keine Bedeutung,
von den
Märkten ( Michaelismarkt und ab 1783 Maimarkt )
abgesehen. Das Dorf lebte von der Landwirtschaft. Die gewerbliche
Tätigkeit spielte nur eine untergeordnete Rolle.
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