G)   Rheinbaben als Beispiel einer Bergarbeiterkolonie

    Allgemeines Kennzeichen der Bergarbeiterviertel ist zunächst die eintönige, gleichartige Bauweise der Koloniehäuser
    innerhalb eines Viertels. Um 1890 / 1900 baute man die Häuser noch aus rohen Ziegelsteinen. Um 1910 wurden dann
    nur noch verputzte Häuser gebaut. Die Haustypen wechseln zwar von Zeit zu Zeit, weichen aber innerhalb einer Siedlung
    nur wenig voneinander ab. Charakteristisch für die damalige Zeit ist, daß zu jedem Haus ein Stall und ein großer Garten
    gehörten. Damit kam man der Mentalität der aus den Ostgebieten Zugezogenen entgegen. Kleinvieh, Schweine und ein
    großer Gemüsegarten waren und sind der Stolz jeder Bergmannsfamilie. Jede von ihnen hatte eine abgeschlossene
    Wohnung mit eigenem Eingang, um Streitereien unter den Nachbarn vorzubeugen.
    Die Rheinbabenkolonie im Stadtteil Eigen wird in etwa eingegrenzt durch folgende Straßen : Stenkhoff-, Vienken-,
    Gladbeckerstraße, Am Venn, Liebrecht-, Banniza-, Cleff-, Aegidi- und Fischedickstraße. Im Süden dieses Gebiets sind
    die Übergänge zu den Prosperkolonien fließend.
    Die Zeche Rheinbaben wurde von August Thyssen gegründet ( Abteufung 1896 ) und kam später zur Hibernia AG.
    Damals existierten außer Feldwegen nur die Gladbecker- und die Aegidstraße, zwischen denen der Nesselhof lag
    ( Nesselstraße ). Den Hof kaufte die Gesellschaft auf. Die ersten Häuser der Kolonie an der Gladbeckerstraße nahe
    der Stadtgrenze nach Gladbeck und am Anfang der Aegidistraße wurden 1902 noch von Thyssen gebaut. Sie lagen noch
    sehr eng zusammen und waren unverputzt. Nach 1912 wurden die Häuser wesentlich großzügiger angelegt mit großen
    Gartenflächen und Vorgärten. Die neuen Straßenzüge wurden jetzt nicht mehr so schachbrettartig und geradlinig angelegt
    wie in anderen Bottroper Zechenkolonien. Dadurch ergibt sich ein aufgelockertes und nicht mehr so eintöniges Straßen-
    bild. Hervorzuheben ist die auf beiden Seiten dicht mit großen Platanen bestandene Aegidistraße, die den Namen Allee
    verdient hätte.
    Im ältesten Teil der Siedlung wohnten 1903 etwa 930 Bergleute. Das Viertel wurde anschließen fast ausschließlich von
    aus den Ostgebieten stammenden Bergleuten ( Oberschlesier, Polen, Tschechen ) bewohnt. ( Anmerkung der Verfassers:
    mein Großvater stammte aus Breslau / Oberschlesien ). 1910 war dann der erste Ansturm von Arbeitern aus dem Osten
    beendet. 1912 warb Rheinbaben Arbeiter in Bosnien ( Österreich-Ungarn ) und 1913 in Süddeutschland ( Raum Nürn-
    berg ) an, die aber nicht lange im Bergbau blieben und wieder abwanderten. Dafür kamen Arbeiter aus dem südlichen
    Ruhrgebiet, die schon früher aus dem Osten zugewandert waren, ins nördliche Revier, wo bessere Arbeits- und Lebens-
    bedingungen geboten wurden.
    Mit der Zeit hat sich das reine Bergarbeiterviertel, besonders nach dem 2. Weltkrieg, in ein gemischtes Viertel verwandelt.
    Andere Berufsgruppen kamen hinzu, so daß heute der Anteil der Bergleute nur noch knapp 50 % beträgt. Das ist aber
    immer noch die größte Dichte an Bergleuten innerhalb der Stadt. Das Geschäftsleben des Viertels spielt sich zum größten
    Teil auf der Gladbeckerstraße zwischen Buchen- und Aegidistraße ab, in kleinerem Umfang auch auf der Aegidistraße.
    Es finden sich hauptsächlich Geschäfte des täglichen Bedarfs, daneben auch einige Spezialgeschäfte. Früher existierten
    2 Kinos nur in dieser Kolonie, heute gibt es in ganz Bottrop nur noch 3 davon. Auf dem Eigener Markt findet ein Wochen-
    markt statt. In jüngster Zeit hat sich auf Gladbecker Gebiet nahe der Stadtgrenze Bottrop ein großer Supermarkt nieder-
    gelassen, der von der Rheinbabenkolonie zu Fuß oder per Fahrrad gut zu erreichen ist, für viele Leute sogar besser als
    das Einkaufszentrum in Bottrop-Stadtmitte.
    Das Angestelltenviertel der Kolonie liegt nahe dem Zechentor und umfaßt die Velsen- und Nesselstraße. Die Häuser dort
    sind etwas größer als normale Koloniehäuser und z.T. an eine werkseigene Fernheizung angeschlossen. Ansonsten war
    natürlich die Heizung und das Kochen mit einzelnen Kohleöfen üblich.
    Zur Schachtanlage gehörte ein modernes Kraftwerk mit einem ca. 150 m hohen Schornstein und elektrischer Filter- und
    Entstaubungsanlage.
    Im Herbst 1966 kamen erste Gerüchte auf, die Zeche, die seit langem mit den Möllerschächten auf Gladbecker Gebiet
    zusammenarbeitete, würde stillgelegt, obwohl sie damals durchaus rentabel arbeitete. Trotz vielfacher Protestaktionen
    wurde Möller-Rheinbaben im März 1967 stillgelegt. Die meisten Bergleute wurden auf andere Schachtanlagen verteilt,
    die älteren vorzeitig pensioniert. Sie konnten alle in ihren alten Wohnungen bleiben und werden noch heute mit Bussen zu
    den oft weit entfernten Zechen gebracht. ( Über die damalige Stimmung und die Aktionen der Bergleute vor der Stillegung
    siehe : "Bottroper Protokolle" von Erika Runge )
    Förderanlagen, Kohlenwäsche, Kraftwerk und ein großer Teil der Gebäude von Rheinbaben wurden abgerissen, das
    Gelände an die Firma "Teerbau" verkauft. Die Zechenwohnungen in der Kolonie verblieben im Besitz der Zechen-
    gesellschaft und gehören heute der "Ruhrkohle AG" bzw. der "Veba".

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